Absichtlich verschollen in der Taiga

Die Taiga ist ein riesiger, zu weiten Teilen schneebedeckter Nadelwald in Sibirien und erstreckt sich über beinahe 5 Millionen eisige Quadratkilometer. 1978 wurde ein Team von Geologen entsandt, die in dieser Region nach Spuren von Eisenerz suchen sollten. Als man gerade nach einem Landeplatz für den Helikopter suchte, wies der Pilot das Team auf Spuren menschlicher Präsenz hin. Völlig unvorbereitet für diese Entdeckung machten sich die Geologen auf den Weg um heraus zu finden, wen es in diese unwirtliche Gegend verschlagen haben könnte. Vor Ort entdeckten sie eine kleine Hütte, deren einzige Lichtquelle ein winziges Fenster in der Größe eines Notizblocks war. 120 Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt hatte man tatsächlich eine menschliche Behausung entdeckt.

Als sie sich der Hütte näherten trat ihnen ein sehr alter Man entgegen, am Leib nichts weiter als ein Stück Sacktuch. "Wo Sie schon einmal da sind treten Sie doch ein", rief er den Geologen mit zittriger Stimme entgegen. Die beengte Behausung erwies sich als kalt, dunkel und verwahrlost. Dennoch traf man auf fünf Menschen die hier lebten.

Der Name des alten Mannes war Karp Lykov. Es stellte sich heraus, dass er einer orthodoxen Splitter-Gruppe namens „die alten Gläubigen" angehörte. Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft waren bereits in den Tagen des Zaren Peter der Große verfolgt worden.

Eben deshalb waren Karp und seine Familie 1936 nach Sibirien geflohen, nachdem eine kommunistische Patrouille Karps Bruder erschossen hatte. Zu dieser Zeit hatten er und seine Frau einen 9jährigen Sohn und eine zweijährige Tochter.

Während ihres Exils in der Taiga kamen zwei weitere Kinder hinzu: Agafia und Dmitry. Keiner von ihnen hatte jemals Kontakt mit anderen Menschen bevor die Geologen sie fanden.

Wie sich heraus stellte, war die Familie dem Hungertod ein paar Mal nur knapp entronnen. Auf die Jagd gehen konnten sie erst spät in der 1950er Jahren, als Dmitry alt genug für diese Aufgabe war. Aber selbst dann war er ohne jegliche Waffe oder sonstige Hilfsmittel darauf beschränkt Fallen zu bauen oder mit den bloßen Händen zu jagen. Im Jahr 1961 zwang ein außergewöhnlich kalter Sommer die Familie dazu sich lediglich von Baumrinde zu ernähren. Karps Frau Akulina verstarb in dieser Zeit an Unterernährung.

Die sowjetischen Geologen machten die Familie vorsichtig mit wichtigen Geschehnissen der letzten 40 Jahre, wie beispielsweise dem 2. Weltkrieg, vertraut. Ebenso vorsichtig führte man sie an neuzeitliche Gebrauchsgegenstände wie Fernseher oder Handys heran. Dmitry besuchte in der Folge mehrere Male das Camp der Geologen, um sich das Sägewerk anzusehen.

Dennoch gelang es nicht die Familie davon zu überzeugen, die ihnen so vertraute Umgebung zu verlassen, die Lykov Familie entschied sich für den Verbleib in der Taiga. Leider nicht ohne Folgen, denn 1981 verstarben zwei der Kinder an Nierenversagen, ein weiteres erlag einer Lungenentzündung.

Weitere Appelle verhallten ungehört, Karp und seine Tochter Agafia ließen sich auch danach nicht zu einer Rückkehr in die menschliche Zivilisation überreden. Karp starb 1988 einen friedlichen Tod in seiner kleinen Hütte. Kein anderes Leben kennend entschied sich Agafia zu einem Leben in Einsamkeit in der Taiga. Das letzte Mitglied des Lykov Clans lebt dort bis heute.

Kommentare

Beliebte Posts