Die „geprägte Freiheit“ wird abgeschafft

Die europäische Politik hat Weichen längst gestellt: Mit der EU-Richtlinie 2009/1 10/EG ist der Marsch in das Zeitalter der Bargeldlosigkeit innerhalb der Europäischen Union vorgezeichnet. Schritt für Schritt werden seitdem die EU-Bürger auf das Zahlen ohne Bargeld eingestimmt. Seit Anfang 2015 werden sogar konkrete Termine genannt, wann das Aus für Scheine und Münzen kommen soll. Bezahlt werden solle ab dann nur noch mit dem Smartphone.

Zwei der angesehensten US-Ökonomen, Larry Summers und Kenneth Rogoff, forderten bereit im letzten Jahr eine Eliminierung des Bargeldes auf dem gesamten Globus. Durch diese Maßnahme, so die vage Hoffnung, würde die weltweite Konjunktur eine kräftige Belebung erfahren. Das Szenario sehe so aus: Wer sein Geld auf der Bank lasse, bekomme in Zukunft keine Zinsen mehr (schon jetzt gehen die Zinssätze gen null). Stattdessen müsse der Sparer sogar Negativzinsen zahlen, was sein Guthaben abschmelzen lasse. Diesen Negativzinsen, die jetzt schon vereinzelt von Banken erhoben werden, könne man derzeit noch entgehen, indem man sein Guthaben in bar zu Hause aufbewahre. Ist diese Möglichkeit ausgeschlossen, wären Bürger eher bereit, ihr Geld auszugeben, anstatt es durch Negativzinsen zu verlieren. Und wer Geld ausgebe, schaffe Arbeit. Man könnte allerdings auch sagen, dass durch den oktroyierten schleichenden Vermögensverlust der Staat und seine Notenbank die Menschen in den Konsum drängen.
In Deutschland bezeichnet der Ökonom Peter Bofinger Münzen und Scheine als «Anachronismus». Physisches Geld, so die Kritiker, verursache Kosten, sei umständlich, fördere die Schattenwirtschaft und zudem seien Geldscheine schmutzig und voller Keime. Bei Finanzministern stoßen solche Reden auf offene Ohren, berichtet die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Das liegt aber weniger an Keimen und Kosten, sondern daran, dass die Existenz von Bargeld der Einführung von besagtem Negativzins im Wege steht.

Eine bargeldlose Gesellschaft bedeutet allerdings auch - und dieser Aspekt wird natürlich selten angesprochen, dass der Staat den finanziell voll überwachten Untertanen noch effektiver kontrollieren kann und zudem einen uneingeschränkten Zugriff auf sein Geld hat. Bargeld begrenzt das Wissen des Staates über den Bürger und es erschwert die Steuerung seines Verhaltens. Wenn das Bargeld erst einmal abgeschafft ist, hat der Bürger keine Verfügungsgewalt mehr über seinen Besitz.

Weil diese Tatsachen immer mehr Menschen bewusst zu werden scheinen, besinnt man sich in Finanz-Fachzeitschriften - man höre und staune - auf christliche Schriftsteller aus dem vorvergangenen Jahrhundert. Insbesondere Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821–1881, "Schuld und Sühne") wird derzeit von Wirtschaftsjournalisten viel zitiert. Aus gutem Grund. Dostojewski bringt mit nur vier Worten einen bedeutenden ethischen Sachverhalt auf den Punkt:  «Geld ist geprägte Freiheit.» Und diese «geprägte Freiheit» in Form von Münzen und Geldscheinen ist vielen Politikern ein Dorn im Auge.

Die Existenz von Bargeld setzt dem staatlichen Schuldenmachen Grenzen. Erst wenn es kein Bargeld mehr gibt, kann der Staat die letzten Hemmungen in seiner Verschuldungspolitik fallen lassen. Schuldenpolitik und Steuern werden aber immer mehr zu unabdingbaren Voraussetzungen für den "starken Staat".

Aus Sicht des Bürgers spricht vieles für Bargeld. Die Möglichkeit, über seinen individuellen Besitz frei verfügen zu können, ist ein Merkmal von Freiheit. Beim Besitz von Bargeld ist der Zusammenhang mit persönlicher Freiheit sogar besonders eng. Bargeld begrenzt auch das Wissen des Staates über die Bürger und erschwert die Steuerung des Verhaltens der Bürger. Wer Bargeld in der Tasche hat, kann es ausgeben, wo und wie er möchte. Und er kann sparen, auch wenn er auf der Bank keine Zinsen mehr bekommt oder sogar Strafzinsen bezahlen muss.
Umso unerfreulicher ist es daher, dass die Tage des Bargelds gezählt zu sein scheinen und man in naher Zukunft vielleicht nur noch kaufen und verkaufen kann, wenn man im Besitz eines bestimmten Zeichens an Hand oder Stirn ist...

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