Das Sommermärchen 2014

Ich habe ja schon einige Weltmeisterschaften miterlebt und auch schon einmal wie Deutschland Weltmeister wurde. 1990 gab´s den Titel in meinem medialen Dabeisein das erste Mal und es handelte es sich um ein emotional sehr mitreißendes Erlebnis. Einen großen Anteil daran hatte natürlich die Spuckaffaire gegen Rudi Völler im Achtelfinale gegen Holland. Die rote Karte gegen ihn und das damit verbundene Gefühl himmelschreiender aber unabänderbarer Ungerechtigkeit weckte in mir eine ungeahnte Leidenschaft. Der Ttitelgewinn mutierte zur gerechten Sache, für die die Mannschaft jetzt alles in die Waagschale werfen musste.

Das tat sie auch. Aber ich glaube, dass ich der Mannschaft von 1990 den Titel nicht weniger gegönnt habe, als unserer aktuellen Weltmeistertruppe. Denn kein anderes Team stand mehr für kompromisslosem Siegeswillen, ungeheuchelte Bescheidenheit und humorvolle Gelassenheit.

Das wurde bei kaum einem anderem Spiel deutlicher, als bei dem historischen Sieg gegen die Brasilianer. Die hatten seit Jahrzehnten kein Spiel mehr zuhause verloren und die Deutschen hätten angesichts der soeben vorgenommenen 7:1 Pulverisierung und als Rache für die WM-Niederlage 2002 eigentlich ein Fass aufmachen können. Haben sie aber nicht. Stattdessen wurden die Jubelarien ab dem 3:0 immer verhaltener und nach dem Abpfiff hätte man den Eindruck gewinnen können, die in weiß gekleideten Herren seien keine Fußballer, sondern ein seelsorgerliches Sondereinsatzkommando der FIFA, welches nun die Brasilianer wieder aufpäppeln sollte.

Die meisten der deutschen Spieler wussten darum, wie es ist, im eigenen Land vorzeitig bei einer WM auszuscheiden. Den Siegeswillen hat das aber nicht auslöschen können, sondern nur zu mehr Zielstrebigkeit geführt. Aber eben gänzlich ohne Arroganz, Weltherrschaftsdrang oder die Illusion, “auf Jahre hinaus unbesiegbar” zu sein.

Den Beweis dafür, dass es auch andere, eher bei der Identifikation hinderliche Haltungen gab, haben unter anderem Brasilien und Holland gezeigt. Brasilien mit diesem überzogenen Pathos, dieser anfangs kuriosen, dann schon bald etwas verstörenden Alles-oder-Nichts-Einstellung - für 200 Millionen Brasilianer, für Neymar, für die Freiheit. Die Hymne brüllen als ginge es um Leben und Tod, jedes Tor tränenreich zum Schicksalsmoment verklären, kaum ein Interview, in dem nicht ein wenig geschluchzt wurde - das mag zwar alles irgendwie typisch brasilianisch sein, wird aber spätestens dann zur Karikatur, wenn die gezeigte Leistung so gar nicht mit dem vorgetragenen Pathos mithalten kann.

Und Holland: Louis van Gaal, der alte General, Besserwisser und Griesgram, macht es einem nicht gerade leicht, zum Holland-Fan zu werden. Taschenspieler-Tricks wie ein Torwart-Wechsel vor dem Elfmeterschießen nötigen mir auch keinen Respekt ab, schon gar nicht wenn der eingewechselte Torwart die tapferen Schützen aus Costa Rica in ablenkende Dialoge zu verwickeln sucht.
Da passt dann auch ein Arjen Robben ins Bild, dem immer dann der Blutzuckerspiegel in den Keller rauscht, wenn er den gegnerischen Strafraum betritt. Was dann eben leider immer auch ein Hinfallen zur Folge hat. Auch wenn das zumeist so aussieht, als hätte ihm ein Scharfschütze eine Kugel in die Niere gejagt. Damit wird dann natürlich der Verdacht erhärtet, hier wolle ein Team unbedingt Weltmeister werden – zum Teil mit gutem Spiel, zum Teil mit schlechten Tricks.

Wie auch immer: 2014 hat die deutsche Mannschaft die perfekte Symbiose aus Kampfkraft, Teamgeist und jetzt eben auch spielerischer Finesse gefunden. Naja, einzig bei Mesut Özil muss ich im Hinblick auf Kampfkraft und Siegeswillen zugeben, dass ich bei seinem Anblick eigentlich immer auf die Ansage wartete: „Der kleine Mesut wartet darauf von seiner Mama aus dem Mittelkreis abgeholt zu werden“.
Dass das Gesamtbild dennoch stimmt bezeugte auch der Blick in den internationalen Blätterwald, den ich am Tag nach dem Finale riskiert habe. "The Mannschaft" hat insbesondere in England einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Germany sei streckenweise "unplayable" gewesen. Solche Lobeshymnen aus dem Land des selbsterklärten Erzrivalen hört man natürlich gerne. Nicht so gerne hörte ich hingegen die Stimmen der politisch korrekten Steinbeisser, die nach der Siegesfeier die Nase rümpften, weil man sich in ungebührlicher Weise über die "Gauchos" lustig gemacht hatte. Dieselben Argentinier, die nach der Verletzung Neymars noch mit Wirbelsäulen-Attrappen den Ausfall des besten Brasilianers gefeiert hatten? Na gut, kein Argument, von deutschen Nationalspielern erwartet man natürlich mehr. Aber irgendwie ist es mir ziemlich wurscht, dass sie zumindest in dieser Beziehung, die Erwartungen nicht erfüllt haben.

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